Leseprobe
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Was tun mit unliebsamen Informationen?
Offener und geschlossener Geist
Ganz gleich, wie wir Erfolg persönlich definieren: wer erfolgreich sein will, muss offen sein – offen auch für den eigenen so heiß ersehnten Erfolg. Das klingt banal. Hier lauert jedoch schon der Keim des Scheiterns. Wer hält sich nicht für einen offenen Menschen?
“Ich bin offen für alles”, hören wir oft genug. Wir leben in einer offenen Gesellschaft, wird uns gesagt. Dabei lohnt es sich wirklich, einmal näher hinzusehen …
Die Management-Trainerin und Bestsellerautorin Vera F. Birkenbihl hat bereits im Jahre 1995 (!) auf der Tagung zu ihrem 25 jährigen Berufsjubiläum in München einen viel beachteten Beitrag zum Thema geleistet. Heute ist er aktueller denn je.
Video 8 Minuten
Historischer Originalmitschnitt
Rokeach hat gesagt “ein offener Mind, also ein offener Geist, zeichnet sich aus durch die Fähigkeit, Informationen aufzunehmen”. Jetzt glauben viele Leute, die tagtäglich Informationen aufnehmen, sie hätten einen offenen Geist. Solange diese Informationen aber immer mehr vom selben sind und kleine Varianten dessen, was Sie gestern, vorgestern, die letzten 15 Jahre auch aufgenommen haben, ist das keine Information in dem Sinne, wie Rokeach sie meint.
Milton Rokeach meint damit Informationen, die das angreifen, was wir zu wissen glauben – also im Sinne der weißen Königin (*) – Unglaubliches zumindest denken, wenn schon nicht glauben zu können.
Und darin zeichnet sich ein offener Geist aus.
Fußnote an dieser Stelle: Aus der neuen Gehirnforschung ist zum Beispiel ein bahnbrechendes Faktum herausgekommen: Eine Studie hat gezeigt, dass 90 % der Alzheimer-Patienten, Alzheimer weiß inzwischen jeder, 90 % der Alzheimer-Patienten haben sich in den letzten 10 bis 15 Jahren mit nichts Neuem befasst.
Das sind zum Teil Manager, die tagtäglich Informationen über den Schreibtisch gehen hatten und die von sich gesagt hätten “natürlich befasse ich mich laufend mit neuen Informationen” – das ist nicht wirklich neu, das sind Varianten, kleine Details. Wenn Sie zum tausendsten Mal Bratkartoffeln mit Speck und Zwiebeln essen, natürlich ist die Zusammensetzung jedes Mal minimal anders. Mal haben Sie ein bisschen mehr Zwiebeln, mal haben Sie ein bisschen mehr Bratkartoffeln drin, aber das ist kein neues Gericht.
Und so sind die meisten neuen Informationen – bisschen mehr Zwiebeln heute, bisschen mehr Kartoffeln morgen – also wenn wir uns regelmäßig mit Neuem befassen, dann haben wir zum Beispiel eine hervorragende Chance, Alzheimer vorzubeugen. Dazu muss die Information aber wirklich neu sein, weil wir neue Nervenbahnen bauen. Aber darauf kommen wir noch.
So, jetzt hat der Rokeach gesagt: “es gibt vier Möglichkeiten, wenn wir mit jemandem im Gespräch sind. Der geschlossene Geist, der kann nur Variante eins und vier fahren, der offene Geist kann sie alle vier fahren.” [eins zwei drei vier]
Das ist sehr, sehr einleuchtend, wenn Sie das einmal durchdacht haben. Wenn Sie ein paar Tage mal darauf achten – legen Sie sich einen Zettel mit dieser Abbildung irgendwohin und achten Sie ein paar Tage darauf – angefangen von einer Fernsehdiskussion über alle möglichen Situationen, die Ihnen begegnen; wenn Sie das einmal eingeordnet haben, das ist phänomenal. Sie sehen die Welt mit anderen Augen.
Sender | Botschaft | |
1. | o.k | o.k. |
2. | o.k. | nicht o.k. |
3. | nicht o.k. | o.k. |
4. | nicht o.k. | nicht o.k. |
Position 1 – Sender OK, Botschaft OK: “Also den Soundso finde ich Spitze, und was er erzählt, ist auch immer hoch interessant.” Oder umgekehrt: “Weil das immer so interessant war, was mir Sowieso gesagt hat, find ich den immer mehr Spitze.”
Ich verheirate also Sender und Botschaft.
Gegenteil ist Position 4: Sender ist nicht OK, Botschaft ist nicht OK
“Also unter den Abwesenden gibt’s Leute, die sagen, die Birkenbihl ist eine ganz blöde Gans und die redet sowieso nur Stuss.” Das ist Position vier.
Und was mich so bewegt hat, als ich den Rokeach das erste Mal gelesen habe vor ca. 15 Jahren, da sind mir Fälle eingefallen, auch im Freundeskreis, wo Leute einmal eine Diskussion hatten, zu irgendeinem Thema. Leute die jahrelang miteinander befreundet waren, die Wochenenden miteinander verbrachten, befreundete Ehepaare, die im Urlaub gewesen waren zusammen, die also verdammt viele Überschneidungen in ihren Inseln hätten haben müssen.
Und irgendwann einmal, bei einer großen politischen Diskussion oder weiß ich was kommt heraus, dass der die Karierten besser findet als die Gestreiften oder irgend so was; was dermaßen unglaublich ist für den Anderen, dass er jetzt die ganze Person in den Papierkorb schmeißt und man hat ab diesem Tag nicht mehr miteinander geredet.
Ich bin sicher, jeder von Ihnen kennt solche Situationen. Das ist die Verheiratung Sender und Botschaft: Wenn eins nicht mehr tragbar ist, ist auch das andere nicht mehr tragbar. Und das ist der geschlossene Geist.
Also da sagt irgendwer irgendwas, da sagt der Andere “woher stammt das?”, sagt der Erste “aus der Bild-Zeitung”, sagt der andere “ja dann…”. Als ob da nie anderes drinstehen könnte, was vielleicht stimmt.
Diese Verheiratung von Quelle und Botschaft, deren wir uns nicht bewusst sind, und natürlich in den Firmen, wir haben unsere Machtstrukturen, und dann haben wir die Gefolgsleute, und wer was sagt, ist ein großer Unterschied.
Wir haben nun mal weit mehr geschlossene Geister in Organisationen, – noch – das ändert sich jetzt. Wir stehen an einer unerhörten Schwelle, das ändert sich, aber noch ist es so. Also diese Verheiratung, und dann sind die anderen beiden Positionen natürlich völlig klar:
Sender OK, Botschaft nicht OK. Sender nicht OK, Botschaft OK.
Also hier sage ich “die Birkenbihl findet ich Spitze, aber hier redet sie “Schwampf”, da sage ich “ich kann die Frau nicht ausstehen, aber darüber sollte man nachdenken, auch wenn die das gesagt hat”. Und das sind die schwierigeren Positionen.
Und wenn Sie der Denker sind, und nicht der Gedachtwerdende, dann können Sie das trennen. Aber das braucht eine gewisse Zeit, geistige Disziplin. Und wenn Sie sich dieses Blatt mit so einer Abbildung irgendwo, so vor den Küchenkasten, im Wohnzimmer, an verschieden Stellen hängen, und wenn Sie merken, dass Sie irgendwem widersprechen und Ihr Blick fällt darauf.
Kann sein, da sagt Ihnen zum Beispiel Ihr Ehepartner oder Ihr Lebenspartner irgendwas und es gefällt Ihnen nicht und Sie sagen “wo hast Du das her” “ja, das hat die Erika gesagt” “ja dann…..”. Wir sind so daran gewöhnt, die beiden zu verheiraten
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(*) aus Lewis Carroll: Alice im Wunderland (Alice hinter den Spiegeln)